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NACHRUF Konrad Schlossberger *1926 †2022

11. Oktober 2022

„Mensch werde wesentlich!“

Zum Tod von Konrad Schlossberger | Nachruf verfasst von Heinrich Lessing

Konrad Schlossberger | Bild wurde im Rahmen der Feier „60 Jahre BDA Landesverband Rheinland-Pfalz“ in Mainz am 30.09.2014 aufgenommen

In Argentinien 1926 geboren, kommt Konrad Schlossberger als 8-Jähriger mit seiner Familie nach Deutschland. Nach dem Einsatz als junger Soldat in den letzten Kriegsjahren, entscheidet er sich nach Kriegsende für ein Architekturstudium an der TH Stuttgart. Angesichts der hohen Zahl an Studienbewerber/innen schickte der Dekan im Frühjahr 1946 die meist 18-20-Jährigen zurück auf die Baustelle. „Wir brauchen keine Architekten, wir brauchen Maurer. Und es wird lange Zeit dauern bis die Maurer so viel gearbeitet haben, dass man einen Architekten braucht; wir brauchen nur Leute, die die Mauern wieder aufrichten, sonst gar nichts.“ Damit schließt sich für Konrad Schlossberger ein weiteres Baustellenpraktikum an und das Architekturstudium an der TH Stuttgart kann erst im Oktober 1946 – zusammen mit Max Bächer – begonnen werden.

Nach dem Vordiplom kehrt Konrad Schlossberger 1948 nach Argentinien zurück, hofft dort auf günstigere Bedingungen zu treffen. In Deutschland scheint es zu dieser Zeit für Architekt:innen keine Zukunft zu geben. Sechs Jahre lang sucht er das Glück in seinem Geburtsland Argentinien, arbeitet dort als Projektleiter, Bauleiter, ist auch als Architekt tätig, aber der Erfolg stellt sich nicht ein. Er beschließt das Architekturstudium in Stuttgart fortzusetzen, ist dazu 1955 wieder in Deutschland, lernt Elsbeth kennen, eine Kommilitonin, wohl ohne zu ahnen, dass er mit ihr ein langes, gemeinsames und glückliches Leben verbringen wird. Noch während des Studiums und unmittelbar danach nehmen beide an Wettbewerben teil, können erste Erfolge feiern.

Der erste Wettbewerbserfolg, der auch umgesetzt wird, ist die Grund- und Hauptschule in Heidesheim. Das Projekt gibt 1965 Anlass zur Bürogründung. Der Schulbau in Heidesheim, später die Carl Orff Schule in Engers / Neuwied, viele weitere, öffentliche Bauten, und das eigene Wohnhaus in Andernach, belegen eindrucksvoll den Einfluss, den Elsbeth und Konrad Schlossberger auf das Bauen in Rheinland-Pfalz – frisch geprägt durch den Geist der TH Stuttgart – ausgeübt haben. „Es gibt keine Krücken“ hatte Rolf Gutbrod den Studierenden an der TH Stuttgart 1947 vermittelt. Frei von Vorgaben und Vorgedachtem sollten sie im Studium die adäquate Form für die gestellte Aufgabe entwickeln. Ein Credo, das für das Werk von Konrad Schlossberger steht. In Rheinland-Pfalz sind Elsbeth und Konrad Schlossberger in den 60er Jahren mit dieser Haltung allerdings eher Außenseiter. „Da musste man schon hoffen, dass die Jury die Qualität der Arbeit schätzen und durchsetzen konnte,“ erinnert sich Schlossberger 2013.

1970 wird Konrad Schlossberger in den BDA berufen, 1976 zum Landesvorsitzenden gewählt. Das Amt nimmt er zum Anlass, dem offensichtlich etwas eingeschlafenen Verein einen neuen Sinn zu geben, Inhalte zu vermitteln. Bis dahin treffen sich die Mitglieder einmal jährlich zum Tanztee, viel mehr passiert nicht. Drei Kartons mit Archivmaterial erhält er von seinem Vorgänger, sowie wenige Hinweise bezüglich der üblichen Abläufe. Ein karges Erbe, das es auszubauen gilt. Schlossberger startet den Dialog in Rheinland-Pfalz, etabliert Architekturvorträge in Kooperation mit der TU Kaiserslautern, lädt den Präsidenten des BDA in ein Bundesland ein, in dem zu dieser Zeit „der Wein herb und die Architektur bieder ist“ – wie es Wolfgang Bachmann 1986 in der Bauwelt beschreiben wird – organisiert die erste Exkursion im Landesverband 1977. Programmatisch das Ziel dieser ersten Reise: Griechenland. An den Ursprungsorten der Architektur, wie Konrad Schlossberger es nannte, soll neue Inspiration gesucht und gefunden werden.

Damit wird eine Tradition begründet, die bis heute anhält und ein wichtiges Format des Miteinanders, des Dialoges ist. Das, was für uns heute im BDA das wichtigste ist, der Dialog, die Auseinandersetzung mit gebauter Architektur, den Haltungen unserer Kolleginnen und Kollegen, hat Konrad Schlossberger für den BDA in Rheinland-Pfalz in seiner Amtszeit aus der Taufe gehoben und gefördert. Eine Tradition, die bis heute Bestand hat. Erst nach 13 Jahren Vorsitz findet er mit Joseph Schmitz einen Nachfolger, der diese Aufgabe übernehmen will.

Nach seiner Amtszeit wird Konrad Schlossberger, der den Verband in Rheinland- Pfalz mit neuem Leben gefüllt und sinnstiftend begleitet hat, zum Ehrenvorsitzenden des BDA im Landesverband Rheinland-Pfalz ernannt. Neben seinem außergewöhnlichen Einsatz für den BDA engagiert sich Konrad Schlossberger in der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, war dort Mitglied der Vertreterversammlung, Vorstandsmitglied, Vizepräsident, Vorsitzender des Landeswettbewerbsausschusses, Mitglied des Ausschusses für Fort- und Weiterbildung. Die Architektenkammer hat dies 1992 mit der Ehrenmitgliedschaft gewürdigt, der Bundespräsident 1991 mit dem Bundesverdienstorden.

Am 22.08.2022 ist Konrad Schlossberger in Andernach gestorben. Uns bleibt die Erinnerung an einen besonderen Menschen, dem der BDA in Rheinland-Pfalz entscheidende Impulse zu verdanken hat. Es bleibt auch die Erinnerung an sein außergewöhnliches, gesellschaftliches Engagement über den BDA hinaus, immer im Sinne und mit Blick auf die Architektur. Und es bleibt die Erinnerung an das Werk, dass er zusammen mit Elsbeth Schlossberger geschaffen hat. Architektur mit dem Blick auf den Menschen, für den sie gemacht wird. Die Haltung, mit der sein Werk entstanden ist, hat er 2013 selbst beschrieben: „Es ging uns um das Wesentliche. Mensch werde wesentlich! Das war unsere Maxime.“ 

Heinrich Lessing